Artikel in Soziale Politik & Demokratie Nr. 516

Anhörung im  Gesundheitsausschuss:

Breiter Konsens über die Grundlinien der Lauterbachreform

Aber kann ver.di sich diesem Konsens anschließen?


Am 25.09. fand im Bundestag die Anhörung zur Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Lauterbach statt.

Offensichtlich gut vorbereitet legten die Mitglieder des Gesundheitsausschusses für ihre Fraktionen den von ihnen eingeladenen Gesundheitsexperten vorbereitete Fragen vor.

Anhand der Kombination von Fragen und Antworten konnte gut nachvollzogen werden, welche Position von der jeweiligen Fraktion in der Auseinandersetzung um die Krankenhausreform von Lauterbach vertreten wird.

Die Antworten der Sachverständigen, Verbands- und Berufsgruppenvertreter entsprachen mit wenigen Ausnahmen den an sie gerichteten Erwartungen. Einige der Elemente der Reform und ihre schwerwiegenden Folgen wurden aber noch klarer.

So wurde direkt zu Beginn der Anhörung deutlich, dass die von der Lauterbachreform geschaffenen Level 1i-Krankenhäuser u.a. auch darauf abzielen, bestimmte Patientengruppen von einer umfassenden Diagnostik und Behandlung auszuschließen, weil sie sie vermeintlich nicht (mehr) benötigen. Der Sachverständige Prof. Groening vom Hamburger Krankenhaus Groß-Sand in katholischer Trägerschaft sagte bei seiner Antwort auf die Frage der SPD-Fraktion, dass die Level 1i-Krankenhäuser die angeblich unnötige Inanspruchnahme von Notaufnahmen abbauen könnten. Denn für die Fallsteigerung in den Notaufnahmen seien z.B. auch hochbetagte und ältere Patienten verantwortlich. Sie seien in der Regel „ausdiagnostiziert“ und hätten vielfach einfach Erkrankungen, „die aus dem Ruder liefen“. Eine umfangreiche Diagnostik wäre für sie nicht notwendig und ebensowenig ein stationäres Bett in einer Notaufnahme.

Genauso wurden von einer Reihe von Sachverständigen die Behauptung Lauterbach widerlegt, dass die sog. „Vorhaltepauschalen“ unabhängig von der Fall der behandelten Patienten wäre und somit der wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser sinken würde. Joachim Gemmel, CEO der Asklepios Kliniken GmbH & Co. KGaA, antwortete auf die Frage der CDU/CSU: „Der aktuelle Entwurf zwingt alle Kliniken zur Fallzahlsteigerung“. Gemmel ließ keinen Zweifel, dass auch Asklepios für den „politisch gewünschten“ Strukturwandel, also für die Schließung und Konzentration von Kliniken ist. Er prophezeite bei der jetzigen Reform „weniger Versorgungsangebots und Wartelisten“ in den Krankenhäusern.

Lauterbach begründet seinen Gesetzentwurf damit, dass das bisherige System zu viele „Anreize“ gesetzt hätte, die Fallzahlen auszuweiten. Seiner Logik zu Folge wurde in Deutschland zu viel operiert. Die Stoßrichtung seiner Reform ist daher wider besseren Wissens die Fallzahlsenkung. In der Stellungnahme des Vertreters der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, wurde deutlich, dass das Problem woanders die politisch gewollte Unterfinanzierung ist: „Es ist ja bekannt, dass die Krankenhäuser derzeit unter einer wirklich massiven wirtschaftlichen Notlage leiden, dass die Erlöse, die aus den Landesbasisfallwerten erzielt werden können, nicht ausreichend sind, um die Kosten der Patientenversorgung zu decken. Das bestätigen das Institut der Wirtschaftsprüfer, der Krankenhaus Rating Report, Boston Consulting. Selbst Karl Lauterbach spricht davon, dass wir ein Systemversagen haben und dass die Landesbasisfallwerte nicht ausreichend sind.“ Der Landesbasisfallwert ist die Grundgröße zur Berechnung der Erlöse, die ein Krankenhaus für die Behandlung eines Patienten erhält. Der Landesbasisfallwert wird mit einem Faktor multipliziert, der berühmten Fallpauschale (DRG), und das Produkt aus beiden ergibt den Geldbetrag, den das Krankenhaus bekommt. Der Landebasisfallwert wird nach politischen Vorgaben festgelegt und er ist seit Jahren zu nieder. 

Diese systematische politische Unterfinanzierung war für die große Mehrheit der Abgeordneten und Experten bei der Anhörung nicht das Thema. Für sie ging es um die Themen „Ambulantisierung“, „Zentralisierung“, „Leistungskonzentration“ - alles Synonyme für Bettenabbau und Schließung von Krankenhäusern, auch durch Zusammenlegung und Herabstufung zu Level 1i-Krankenhäusern.


Reicht die angebliche Refinanzierung der Tariferhöhung als Grund für die Zustimmung von ver.di

Auch die Gewerkschaft ver.di nahm an der Anhörung teil. Sylvia Bühler, der Vertreterin von ver.di, wurde eine Frage von Seiten der SPD-Fraktion gestellt: „Wie bewerten Sie die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen einer vollständigen und unterjährigen Refinanzierung von Tarifsteigerungen für alle beschäftigten Gruppen im Krankenhaus?“ Bühler antwortete: „Wir haben in der heutigen Regelung, die ist maßgeblich mitverantwortlich, dass ein erheblicher Druck ausgeübt wird, nämlich Personal abzubauen. Personal, das für eine gute und sichere Versorgung dringend gebraucht wird. Deswegen begrüßen wir ausdrücklich die Regelung, wie sie jetzt angedacht ist und in Planung ist, nämlich die Tariferhöhungen künftig für alle Krankenhausbeschäftigten.“ 

Die vollständige Refinanzierung der Tariferhöhungen in den Krankenhäusern war immer eine gewerkschaftliche Grundforderungen von ver.di - das ist zweifellos richtig. Tatsächlich scheint diese Zusage von Lauterbach also ein Erfolg des gewerkschaftlichen Kampfs zu sein. Aber kann man an immer noch von einem Erfolg sprechen, wenn man weiß, dass diese Refinanzierung der Tariferhöhung durch Bettenabbau und Schließungen von Krankenhäusern erkauft wird, das heißt durch Arbeitsplatzabbau und Absenkung von Behandlungszahlen, durch Steigerung der Arbeitsintensivität, mehr Stress und Wartelisten in den verbleibenden Kliniken. Das ist eine Diskussion, die in ver.di sicher jetzt geführt wird.

Henning Frey 




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