Stimmen und Forderungen von der Kundgebung vor dem Historischen Rathaus am 1. Oktober 2024


„Wir wollen nicht nach Merheim umziehen, weil dort angeblich alles besser ist!“



Rund 60 Teilnehmer versammelten sich am 1. Oktober vor dem Historischen Rathaus in Köln, um gegen die Lauterbachreform und für die Rücknahme des Ratsbeschluss’ zur Schließung der beiden Krankenhäuser Holweide und Amsterdamer Straße zu demonstrieren. Eine ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen, Bürgern und Betroffenen der Schließung ergriffen das Wort. Musikalisch wurde die Kundgebung durch die Songs und Gitarrenmusik von Sylvia Kurek-Fux und Reiner Weigand begleitet.


Die Kundgebung wurde von Eva Gürster im Namen des Holweider Einladerkreis eröffnet. „Wir sind Bürger, Beschäftigte und Gewerkschaftskollegen und müssen selber für den Erhalt handeln“ sagte sie und ging dann auf den Rat der Stadt Köln ein: „Kein einziges Ratsmitglied deckt offen, was Reker und die Geschäftsführung planen. Sie sitzen im Rat, im Finanzausschuss, im Hauptausschuss, im Gesundheitsausschuss. Sie ergreifen keinerlei Initiative dafür, dass die Bevölkerung und die Beschäftigten etwas über die Umsetzung des Schließungsbeschlusses erfahren, bei der die Verschlechterung der Versorgung und der Arbeitsbedingungen jetzt deutlich wird.“ 


Man lässt die Bevölkerung und die Beschäftigten im Ungewissen, im Glauben, sie dann zu einem bestimmten Zeitpunkt überrollen zu können. „Wie bei der letzten Hauptausschusssitzung, als plötzlich zu Sitzungsbeginn der Punkt Kliniken im öffentlichen Teil aufgenommen wurde“, erinnerte Eva Gürster. „Dort wurde dann beschlossen, 10 Mio jährlich in den Kliniken zu kürzen.“


Beschäftigte und Bürger sollen überrollt werden


„Die Beschäftigten hören von Maßnahmen, kurz bevor sie umgesetzt werden“, ergänzte die Gewerkschaftskollegin weiter, „Kolleginnen und Kollegen aus dem Patientenservice und Patientenbegleitdienst sollen jetzt eine einjährige Pflegeausbildung machen, weil nach den Gesetzen von Lauterbach ihre Arbeitsplätze nicht mehr finanziert sind. Wenn sie dazu nicht bereit sind, dann setzen sie ihre Arbeitsplätze auf’s Spiel. Das ist auch einer der Gründe, weshalb wir gegen die Krankenhausreform von Laumann und Lauterbach kämpfen, aber auch wegen der mit ihr einhergehenden Kürzungen der Fallzahlen. Wir kämpfen für die selbstkostendeckende Finanzierung!“


Eva berichtete auch über die Stimmung unter den Beschäftigten: „Wir wollen nicht in 10 Jahren nach Merheim umziehen, weil dort dann angeblich alles besser ist. Wir haben hier einen neuen Anbau mit drei Stationen. Eine davon ist schon in Betrieb. Wir haben dadurch mehr Platz für die  Intensivstation. Aber wir brauchen auch Aufzüge, größere Patientenzimmer auf allen Stationen und einen Hubschrauberlandeplatz … Damit die Hubschrauber nicht mehr auf der Wiese landen müssen und die Kinder dann von da auf die Station gebracht werden“, hätten Beschäftigte bei einem Infostand am Vortag vor der Kinderklinik gesagt. Auch in Holweide beklagten die Kollegen fehlende Renovierungen! „Für diese Renovierungen, für diese Sanierung brauchen wir das Geld, nicht für die Schließung", so Eva Gürster.


Kolleginnen und Kollegen wollen die Argumente nicht mehr hören


Vor den Teilnehmern an der Kundgebung gab es weitere Berichte darüber, wie sich die Situation für die Beschäftigten darstellt. In den Redebeiträgen wurden die Kolleginnen und Kollegen verteidigt, die hoch motiviert, geduldig und fachlich kompetent seien. „Die Kolleginnen und Kollegen sind immer bereit gewesen, bei Lücken einzuspringen oder vom Frühdienst in den Spät- oder Nachtdienst zu wechseln“, wurde in einem Beitrag gesagt. Aber jetzt sei die Schmerzgrenze erreicht! 


Die Beschäftigten wollten deshalb das Argument „Wir haben niemanden“ nicht mehr hören, wurde berichtet. Denn diejenigen, die dieses Argument bringen, sind dieselben, die die Arbeitsbedingungen verschärfen, so dass Beschäftigte trotz allen guten Willens aufhören müssten. Ein bezeichnendes Beispiel: Pflegekräften, die gerade ihr Examen abgeschlossen hätten und Pflegekräften, die aus dem Ausland gekommen wären, würde im Wohnheim nur ein befristeter Mietvertrag angeboten. Also genau denen, die gebraucht würden. Das würde dazu führen, dass sie nach 2 bis 3 Jahren aufhörten. Ein anderes Beispiel ist die Aufkündigung des Vertrags mit dem Betreiber der Betriebskindergärten. „Das erschwert die Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen“. Dort gäbe es für Mütter und Väter etwas familienfreundlicheren Öffnungszeiten als normal. Die fielen jetzt weg. Das schafft für die Kolleginnen und Kollegen große Probleme. Aus diesen Berichten kann man nur schließen, dass die städtischen Kliniken offensichtlich kein Interesse mehr haben, auch Mütter an ihren Arbeitsplatz zu binden. Ein Grund für den Personalmangel ist nach den Berichten aus den Kliniken auch, dass nach wie vor viel zu wenig Gesundheits- und Krankenpfleger ausgebildet werden. Früher waren in jeder Schicht 3 Schüler pro Schicht und Station. Heute könnte man sie wie eine Nadel im Heuhaufen suchen. „Wir brauchen ein Sofortprogramm zum Erhalt des Servicebereichs und eine Ausbildungsoffensive der Kliniken!“, so die Forderung der Kollegen.


Patienten ergriffen das Wort


Karin Wiedermann, Bürgerin aus Holweide und seit Anfang an im Einladerkreis dabei, sagte ganz klar, sie wollte nicht, dass durch die Krankenhausreform von Lauterbach „uns unser Krankenhaus weggenommen wird“. Sie betonte, dass sie selbst als Patientin und die Bürger in Holweide über Jahre hinweg sehr gute Erfahrungen mit dem Krankenhaus gemacht hätten. Sie verwies auch darauf, dass die Bevölkerung wächst, dass viele junge Familien zuzögen, dass auch viele Flüchtlinge kämen, und sie alle bräuchten dieses Krankenhaus. 


Wie wichtig das Krankenhaus in Holweide ist, machte auch der Bericht einer der ehemaligen Patientin Gundi Thol deutlich. Sie erlitt ein Bauchaneurysma und konnte nur gerettet werden, weil das Krankenhaus Holweide in 2 Minuten erreichbar war und von Merheim ein Spezialist mit dem Hubschrauber eingeflogen werden konnte. Nach den Plänen von Lauterbach und Laumann wird es künftig aber diesen Behandlungsschwerpunkt „Bauchaneurysma“ und damit auch nicht mehr diesen Spezialisten in Merheim geben. Begründung des Laumann-Ministeriums: Diese Behandlung sei planbar!!!


Zeitkritische Versorgung gefährdet


Susanne Quast, ver.di-Kollegin vom „Bündnis für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen“ setzte in ihrem Redebeitrag genau an dem gerade geschilderten Fall an: „Durch den Verlust zweier Notaufnahmen wird die zeitkritische Versorgung von Patienten mit schweren Krankheitsgeschehen wie z.B. Bauchaortenaneurysmen, Herzinfarkte, Schlaganfälle, Thoraxtraumen nicht mehr funktionieren. Damit werden Menschen gefährdet“! Die unabdingbare Grundversorgung würde durch den Wegfall der beiden Krankenhäuser Holweide und Amsterdamer Straße nicht mehr gegeben sein. Sie ging auch auf die wirtschaftlichen Aspekte der Klinikschließungen ein und warf der Kölner Stadtspitze vor, der Öffentlichkeit die vollständigen Zahlen vorzuenthalten: „Ein guter Kaufmann berechnet nicht nur alle Kosten für das Modell 1+0 sondern auch die Kosten bei einem Modell 3+0 für eine Sanierung der bestehenden Standorte und stellt diese der Öffentlichkeit zu Verfügung“. Aus ihrer Sicht wird das letzte Kölner Krankenhaus in Merheim auch durch die Schließung von Holweide und der Amsterdamer Straße gefährdet: „Was passiert wenn z:B. ein Drittel der Patienten, welche aktuell Holweide oder die Kinderklinik aufsuchen, künftig nicht nach Mehrheim gehen, sondern sich für ein ‚näheres‘, anderes Krankenhaus entscheiden? Wer ohne kritische Betrachtung glaubt, jeder Patient der heute die Klinken der Stadt Köln zu einer Behandlung aufsucht, wird auch künftig nach Mehrheim gehen, der glaubt auch dass Zitronenfalter Zitronen falten.“


„Ich spreche als Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit des SeniorInnenvorstandes  Köln-Rheinberg-Oberberg in der Gewerkschaft ver.di“, berichtete Manfred Grzybek. „Auch wir haben Fragen an das Gesundheitsministerium zur Krankenhausreform gestellt und unsere Bedenken dazu geäußert. Leider bekamen wir nur eine formale, für uns unbefriedigende Antwort in Form von Links auf die Seite des Ministeriums. Daher haben wir dann Herrn Lauterbach als Kölner Abgeordneten und Gesundheitsminister mit den gleichen Fragen und Bedenken angeschrieben. Leider bisher ohne Rückmeldung. Anscheinend redet er nicht mit jedem, wenn er Widerspruch befürchtet. Aber das habt Ihr ja auch schon selbst erlebt.“


Wir sind nicht die Blaupause für Lauterbachs Reform


Manfred wandte sich gegen das „Durchpeitschen der Reform“. Die Bedürfnisse der PatientInnen würden aus dem Blick geraten. Die Auswirkungen der Reform seien völlig ungewiss. Er sprach sich vor allem auch für den Erhalt der gewachsenen Strukturen. Nur so können Kompetenzen geschaffen und gebündelt werden. Aus seiner Sicht sollte die Kooperation von Kliniken an die Stelle der Konkurrenz gestellt werden. „Insbesondere ist darauf zu achten“, so Manfred Grzybek, „dass an den jeweiligen Standorten eine den Aufgaben entsprechende qualitative und quantitative Personalausstattung vorhanden ist. „Leider scheint sich Herr Lauterbach eine Änderung der Krankenhausversorgung in Köln als Blaupause für seine Reform ausgeguckt zu haben. Aber hier in Köln ist es falsch, die Standorte der Kinderklinik Amsterdamer Straße und des Krankenhaus Holweide zu schließen und sie zu untergeordneten Abteilungen eines Großkrankenhauses zu machen.“ Manfred schloss mit der Bemerkung: „Vielleicht sollten wir die im nächsten Jahr anstehenden Kommunalwahlen dazu nutzen, die Ratsmitglieder zum Umdenken zu bewegen. Und wenn dies auch nur aufgrund der Furcht vor einem Verlust ihres Ratsmandats erfolgt.“


„Wie kann man die Lauterbachreform in einem Satz zusammenfassen?“, fragte Henning Frey am Ende der Kundgebung. „Die Antwort darauf heißt: Mit ihr verschafft sich die Regierung das Instrumentarium, von oben, von der Bundesebene aus durchzugreifen und Krankenhausschließungen zu erzwingen“. Das sei einmalig seit ’45. Denn laut Grundgesetz ist die Krankenhausplanung das Recht der Länder. Es stellt sich die Frage des Verfassungsbruchs. Das sei auch von einigen Ländern aufgenommen worden, ohne dass sie daraus die Konsequenzen gezogen hätten. Dieses Durchgriffsrecht verschaffe sich die Regierung seiner Meinung deshalb, weil sie nicht einen Cent mehr für die Krankenhäuser ausgeben will und stattdessen Hunderte von Milliarden in die Rüstung pumpt. „Ich bin froh“, sagte er, „dass für den 3.10. in Berlin eine Demonstration geplant ist, die sich gegen den Krieg und gegen die mit ihm einhergehenden Zerschlagung sozialer Errungenschaften wendet. Das ist auch eine Unterstützung für uns“. Die heutige Kundgebung würde sich sich in Initiativen und Aktionen für den Erhalt der Krankenhäuser in vielen Städten und Gemeinden einreihen. Der Kampf für den Erhalt der Krankenhäuser habe schon etwas den Charakter einer „Volksbewegung“ angenommen!


Die nächste Versammlung für den Erhalt des Krankenhauses Holweide und der Kinderklinik Amsterdamer Straße ist am


29. Oktober, 19 Uhr, Schützenhalle Holweide

Maria-Himmelfahrt- Straße 10


Bitte anklicken: Artikel aus der FAZ zur Lauterbachreform


Bitte anklicken: Artikel aus der Sozialen Politik & Demokratie über die Bundestagsanhörung zur Lauterbachreform




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